Frauen in der Wissenschaft: Prof. Dr. Andrea Helmer-Denzel

Prof. Dr. Andrea Helmer-Denzel ist seit 2012 Studiengangsleiterin an der DHBW Heidenheim. Sie berichtet, warum Sie Professorin wurde, welche Herausforderungen es auf dem Weg gab, und was für Frauen in der Wissenschaft anders ist als für Männer.

14 Professorinnen lehren und forschen an der DHBW Heidenheim. Eine davon ist Prof. Dr. Andrea Helmer-Denzel. Sie leitet seit 2012 die Studienrichtungen "Case Management im Sozial- und Gesundheitswesen" und "Soziale Arbeit mit älteren Menschen/Bürgerschaftliches Engagement“. Ein Interview über das „Professorin-sein“:

Warum sind Sie Professorin geworden?

„Ich denke, dass die wenigsten Studentinnen das Studium antreten und dabei den Berufswunsch „Professorin“ schon im Blick haben. Ich selbst hatte große Freude an sozialwissenschaftlichen Themen und Texte fließen mir ganz gut aus der Feder. Der Soziologe Norbert Elias spricht in seinen Büchern immer von „Menschenwissenschaften“, das hat mich interessiert. Ich wollte wissen, wie es Menschen in Organisationen ergeht, warum Sie mal rational handeln und dann auch mal wieder nicht. Das hat mich fasziniert.

Bei mir hat sich das so ergeben: Ein Professor fragte mich in einem Hauptseminar, ob ich nicht Lust hätte als wissenschaftliche Hilfskraft bei ihm zu arbeiten. Wenn man dann am Lehrstuhl über das Stadium „Kaffee kochen“, „telefonieren und kopieren“ hinaus ist und Gelegenheit zum Schreiben und Lehren bekommt, dann nimmt man nach dem Diplom auch die Promotion in Angriff. Es ergibt sich nicht alles von selbst, aber man hat nach der Promotion zumindest die Idee, dass Professorin ein Beruf wäre, der einem sehr gefallen könnte...“

Was war eine der größten Herausforderungen auf dem Weg dahin?

„In den 1990er Jahren war von „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ noch nicht die Rede, berufstätige Mütter hatten in Deutschland eher mit dem Vorwurf der „Rabenmutter“ zu kämpfen und die Öffnungszeiten der Kindergärten waren abenteuerlich. Für mein eigenes Selbstverständnis musste ich mich mit der Zuschreibung der "Rabenmutter" schon auseinandersetzen. Zudem war das Arbeiten als akademische Mitarbeiterin an der Universität arbeitsintensiv, häufig wurde in dieser Qualifikationsphase auch am Wochenende durchgearbeitet. Da brauchte es – zumindest in meinem Fall - eine robuste Gesundheit, unkomplizierte Kinder, die nach dem „Sandmännchen“ in den Tiefschlaf fallen sowie liebevolle, flexible Tagesmütter. Väter, die eine Waschmaschine bedienen können und mit den Kindern am Samstag auf den Fußballplatz gehen, helfen auch.“

Was möchten Sie jungen Schülerinnen und Studentinnen mit auf den Weg geben?

„Unbedingt das Fach studieren, an dem man Freude hat, dranbleiben und dem eigenen inneren Kompass folgen. Und wenn man Sozialwissenschaft studiert, die folgende Frage ignorieren: ‘Was willst Du denn mit deeem Studium später anfangen?’“

Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern, damit mehr Frauen Professorinnen werden?

„Ich bin ein großer Fan von „Vorbildern“. Wenn junge Akademikerinnen sehen, dass insbesondere in den MINT-Fächern an der DHBW Professorinnen lehren, dann kann zumindest der Gedanke gefasst werden, dass dieser Weg hin und wieder „gut ausgeht“.

Auch die Schulung von Mitgliedern von Berufungskommissionen halte ich für wichtig, weil dort zum Teil unbewusst Situationen entstehen, die der Berufung von Frauen entgegenwirken.“

Was ist für Frauen in der Wissenschaft anders als für Männer?

„Vielleicht ist das mittlerweile „old school“ und betrifft nur meine Generation, aber ich habe schon immer noch den Eindruck, dass Frauen weniger Energie investieren (können), um "in der Wissenschaftsszene" bekannt zu werden und nicht jedes Forschungsergebnis öffentlichkeitswirksam präsentieren. Generell braucht es auch mehr Ermunterung , damit sich Frauen auf Leitungsstellen  bewerben. Da sind Männer häufig fixer und selbstbewusster.“

Über Andrea Helmer-Denzel

  • Jahrgang 1966
  • Ausbildung zur Industriekauffrau und anschließende Tätigkeit in verschiedenen Unternehmen der Konsumgüterindustrie und in Pharmaunternehmen;
  • Studium der Sozialwissenschaft und Promotion zum Dr. rer. soc. an der Ruhr-Universität Bochum;
  • Promotionsstipendiatin des Cusanuswerkes Bonn;
  • Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung GmbH (InWIS), Bochum;
  • Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Organisationsforschung und Mitbestimmung von Prof. Ludger Pries an der Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Sozialwissenschaft;
  • Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie und Wirtschaftssoziologie von Prof. Rolf G. Heinze an der Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Sozialwissenschaft;
  • Lehraufträge an den Universitäten Duisburg-Essen, Bochum und Dortmund;
  • Vertretung einer Professur im Fach "Methoden der Sozialarbeit/Sozialpädagogik" an der Universität Duisburg-Essen, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften. Institut für praxisorientierte Sozialwissenschaften;
  • Seit 2008 Professorin an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg/ Heidenheim, Fakultät Sozialwesen;
  • Seit 2012 Studiengangsleiterin für die Studienrichtungen "Case Management im Sozial- und Gesundheitswesen" und "Soziale Arbeit mit älteren Menschen/Bürgerschaftliches Engagement";
  • Seit 2015 örtliche Gleichstellungsbeauftragte am Standort Heidenheim;
  • Seit 2020 guest lecturer am Department für Gerontologie an der Akdeniz Universität. Antalya/Türkei;
  • 2021 Role-Model auf der Januar-Seite im neuen Kalender der DHBW Heidenheim "Professorinnen brennen für die Wissenschaft"

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