Technik im Alter: Ausstellung und Vorträge wecken großes Interesse

Über 200 Besucher*innen waren an die DHBW Heidenheim gekommen, um sich über technische Alltagshelfer und digitale Lösungen im Alter zu informieren. Vor allem die interaktive Ausstellung fand großen Zulauf.

An zwei Tagen drehte sich an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heidenheim alles um unterstützende Technik fürs Alter. Neben informativen Vorträgen durch Professor*innen der DHBW Heidenheim begeisterte vor allem die Technik-Ausstellung, bei der unter Anleitung der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Lara Piechnik und Studierenden der Angewandten Gesundheits- und Pflegewissenschaften unterschiedliche Technologien wie Smartwatches, Minisender zum Tracking und VR-Brillen ausprobiert werden konnten. Ein humanoider Roboter lud zum Ausblick in die Zukunft ein und interagierte mit den Besucher*innen. Zu Besuch war auch der „Digital Health Truck“ der Koordinierungsstelle Telemedizin BW mit weiteren Technologien an Bord.

Mit über 200 Interessierten fand an beiden Tagen ein intensiver Austausch über Technologien für ein selbstbestimmtes Leben im Alter statt. „Zusätzlich konnten die Studierenden durch die Gespräche ganz im Sinne eines Living-Labs wertvolle Erkenntnisse zur Akzeptanz einzelner Technologien sammeln“, freut sich Prof. Dr. Marcel Sailer. Der Prodekan Gesundheit ist selbst gelernter Krankenpfleger, leitet den Studiengang und forscht selbst seit Jahren an dem Thema  Active Assisted Living (AAL). Erkenntnisse aus seiner Forschung, die unter anderem auch in Fachbüchern und wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlicht sind, ließ er in seinen Vortrag „Zwischen Komfort und Innovation – Technische Alltagshelfer für ein selbstbestimmtes Leben im Alter“ einließen.

„Niemand will pflegebedürftig sein. Wir wollen alle ein möglichst selbstbestimmtes Leben, auch im Alter“, stellte der Professor zu Beginn seines Vortrages fest. Doch vor allem Mobilität sei eine große Herausforderung, weil man im Alter bis zu 40 % der Muskelmasse verliere, was auch sehr häufig zu Stürzen führe. Gemeinsam mit seinem Team und mit Studierenden und Führungskräften aus Pflegeeinrichtungen bewertete Prof. Dr. Marcel Sailer verschiedene technische Alltagshelfer und stellte einige vor, darunter kleine Nachtlichter, um Stürze zu vermeiden, VR-Brillen zur Entspannung und Trackingsystem, um Schlüssel oder andere wichtige Gegenstände wiederzufinden. Zudem ging er auf die vielfältigen Möglichkeiten durch Smartwatches ein, durch die jeder eine Sturzerkennung und ein Notfallsystem dabeihabe, ohne stigmatisiert zu werden. Dabei war ihm besonders wichtig: „Es geht immer darum, wie eine gute, vollständige Versorgung stattfindet und wo die Technik unterstützen kann. Technik kann vieles, aber nicht den menschlichen Kontakt ersetzen.“ Deshalb stehen bei der AAL-Forschung für uns vor allem die Nutzer*innen im Fokus. „Wir wollen wissen, was Sie akzeptieren, befürworten oder was Sie ablehnen. Was hilft Ihnen, wo sind Sie skeptisch?“, fragte Professor Sailer zum Abschluss.

Den menschlichen Aspekt stellte auch Prof. Dr. Barbara Steiner in ihrem Vortrag „Neue Technologien und Digitalisierung als Herausforderung für Soziale Teilhabe aus sozialwissenschaftlicher Perspektive“ heraus. „Die zunehmende Digitalisierung verändert unsere Welt wie keine andere Entwicklung zuvor“, zitierte die Professorin aus der Zeitschrift „Spiegel“. Umso wichtiger sei es, diesen Trend aktiv zu gestalten, damit niemand in der Gesellschaft abgehängt werde. „Die Welt entwickelt sich weiter, ob wir das wollen oder nicht“, sagte Steiner. Dabei gehe es längst nicht mehr nur darum, ob Menschen einen Zugang zum Internet haben und diesen nutzen können. „Das nimmt ganz andere Dimensionen an, Technik findet immer mehr Einzug in viele Bereiche unseres Lebens, deshalb ist es umso wichtiger, dass wir genau durchdenken, was wir da machen“, führte die Sozialwissenschaftlerin weiter aus. Gerade deshalb sei die „digitale Kluft“, die zwischen sogenannten „Digital Natives“ und nicht technikaffinen Menschen auftue, eine gesellschaftliche Herausforderung. Vor allem alleinstehende Frauen ab 70 Jahren seien von der „technischen Exklusion“ bedroht. „Wir wissen, dass es viele ältere Menschen gibt, die keinen Zugang zu neuer Technik haben. Fast die Hälfte der 80- bis 85-Jährigen fühlen sich davon überfordert. Anderen fehlen wiederum die finanziellen Ressourcen, oder sie haben keine sozialen Kontakte wie Enkel oder Kinder, die sie in neue Techniken einführen“, erklärte Steiner. Abschließend stellte die Professorin verschiedene Lösungsansätze vor, mit welchen die digitale Exklusion von älteren und hilfsbedürftigen Menschen verhindert werden kann. „ „Wir müssen die Bildungsangebote und Beratung ausbauen, wie wir es bereits durch das Forschungsprojekt DIKOMED angestoßen haben, um mehr Medienkompetenz schaffen und die Nutzung begleiten. Es ist ein Lernprozess“, so Steiner. Zusätzlich ging sie auf die Wichtigkeit der interprofessionellen Bewertung nach ethischen Kriterien ein. „Unter anderem müssen wir darauf achten, wie sicher die Nutzung ist und wir sehr die Technik die Privatsphäre der Nutzer*innen wahrt“, sagte Prof. Dr. Barbara Steiner zum Abschluss.

„Schon seit über mehreren Jahren steht AAL im Fokus unserer Forschung. Dabei nutzen wir unsere Vielfalt an unterschiedlichen Fachbereichen und können das Thema so unter sozialen und technischen Aspekten, aber auch unter dem betriebsorganisatorischen Gesichtspunkt, wie technische Unterstützungssysteme das Gesundheitssystem beeinflussen werden, betrachten“, sagt Prof. Dr. Andreas Mahr, Prorektor an der DHBW Heidenheim. Er ist selbst am Forschungsprojekt Active Assisted Living der DHBW Heidenheim beteiligt.